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"Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?"
(Rö. 8:31)

Schwester Elfriede Pawlowski

(aus der Zusammenstellung von Manfred Schütze, "Was Du ererbt von Deinen Vätern. . .")

Mit diesen Worten begann Schwester Elfiede Pawlowski ihren Text, nachdem ich sie gebeten hatte, doch etwas über sich, ihre Bekehrung zum Evangelium und ihre jahrzehntelange Tätigkeit in der Kirche zu schreiben. Weiter notierte sie:

Durch Schwester Ida Korth habe ich zum ersten Mal in Schwerin/Mecklenburg von der Wahrheit des wiederhergestellten Evangeliums gehört. Während eines Besuches erzählte sie mir von der ersten Vision des Propheten Joseph Smith und von seiner Berufung zum Propheten, vom Engel Moroni und dem Buch Mormon und der Wiederherstellung der wahren Kirche Christi. Sie erzählte von der "Letzten Zeit", in der wir jetzt leben, und daß alle Menschen Buße tun müßten. Ihre Worte waren so lebendig und überzeugend, daß ich keinen Augenblick daran zweifelte, daß diese Dinge wahr sind.

Es war an einem kalten Februarsonntag, und weil ich so interessiert war, lud sie mich auch gleich zum Gottesdienst am gleichen Nachmittag ein. Nur einen Augenblick dachte ich an eine Veranstaltung, die ich besuchen wollte, aber dann ging ich doch mit ihr zum Gottesdienst.

Es war sehr kalt, und der einfache Gaststättenraum, den wir dann betraten und in welchem der Gottesdienst damals abgehalten wurde, war nicht gerade einladend, aber die Freundlichkeit, mit welcher ich von den Mitgliedern begrüßt wurde, machte großen Eindruck auf mich. Obwohl alles so anders war, war ich doch angetan von den Vorgängen, wie ich sie in meinem ersten Gottesdienst beobachten konnte.

Die beiden Ältesten, Franz Meyer und Walter Schmeichel, sprachen überzeugend, und es war mir, als wenn ich alles schon irgendwann einmal gehört hätte. Ich kam mir schwach und unvollkommen vor, so daß Träne auf Träne über mein Gesicht rann. Ich war so sehr beeindruckt von dem Gehörten, daß ich auf dem Heimweg über all das nachdenken mußte, und, zu Hause angekommen, mußte ich gleich mit Bekannten über dieses Erlebnis sprechen.

Ich besuchte die Gottesdienste, so oft ich konnte, und ich lernte. Ich lernte auch, daß es neben der guten auch eine böse Macht gibt, und gerade diese setzte alles daran, mich daran zu hindern, das neugefundene Evangelium anzunehmen. Immer, wenn ich in den Gottesdiensten saß, um zu hören und zu lernen, war es mir, als wenn eine mir unbekannte Macht mich daran hindern wollte. Ich spürte es wirklich, und das erfüllte mich mit Angst.

Einige Monate später, im Jahre 1953, besuchte unser neuberufene Missionsratgeber, Henry Burkhardt, zum ersten Mal unsere Gemeinde. Wieder überkam mich diese fremde Macht, die ich nicht erklären konnte. Ich kämpfte mit aller Macht dagegen an und betete inbrünstig, daß der Herr mich davon befreien möchte, damit ich das Evangelium verstehen möchte, und besonders darum, den Worten von Bruder Burkhardt folgen zu können. Und dann geschah etwas, was ich nie vergessen werde.

Es war mir so, als wenn mir eine fremde Haut abgezogen würde.

Es begann den Kopf hinunter, über die Schultern und den ganzen Körper bis zu den Zehenspitzen. Ich erschrak zuerst darüber, aber dann überkam mich ein Gefühl der Freiheit und Leichtigkeit und ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, welches ich nicht in Worte kleiden kann. Der Herr hatte mein Gebet erhört und mir ein Zeugnis von seiner Hilfe und von seiner Nähe gegeben. Von dieser Zeit an hatte ich keine Probleme mehr zuzuhören, und ich hatte Freude daran, das Evangelium zu begreifen und zu lernen.

Am 22. Oktober 1953 konnte ich dann einen Bund mit dem Vater im Himmel schließen, und ich war glücklich, daß ich bis dahin viele Dinge überwinden und auch vieles regeln konnte, was mich noch daran hinderte. Ich hatte schon als Freundin der Kirche in den Zeugnisversammlungen mein Zeugnis gegeben, aber an meinem Tauftag durfte ich in der nachfolgenden GFV-Versammlung mein erstes Gebet vor der Gemeinde sprechen, was mich mit großer Freude erfüllte.

Da die Räumlichkeiten, in denen wir unsere Gottesdienste abhielten, nicht sehr ansprechend waren, und da wir durch die Gaststätte oft in unschöner Weise gestört wurden, bemühte sich unsere Gemeindepräsidentschaft unter der Leitung von Bruder Hans Polzin eifrig um andere Räume. Im Jahre 1954 konnten wir dann einen Saal in einem Hotel in der Goethestraße 67 mieten. Er lag im Hinterhaus, und der Straßen- und Gast-stättenlärm drang nicht bis zu uns. Wir haben den Raum mit viel Mühe für unsere Zwecke hergerichtet, und alle haben dabei mitgeholfen. Die Gemeinde brauchte diesen Raum mit niemandem zu teilen, und alle waren froh, einen Ort der Ruhe gefunden zu haben, wo wir unsere Gottesdienste ungestört abhalten konnten. Das Gemeindeleben wurde aktiver, und auch die Hilfsorganisationen konnten ihre Versammlungen zu den festgesetzten Zeiten durchführen. Es war eine Zeit der Tätigkeit und des Aufschwungs für die Gemeinde.

Ich selbst bekam durch einige glückliche Umstände, bald nachdem die Gemeinde in den Raum in der Goethestraße umgezogen war, eine kleine Zweizimmerwohnung im gleichen Vorderhaus, und seitdem ist mein Leben immer eng mit dem Gemeindeleben verbünden gewesen.

Leider sollte aber diese Freude über unseren Gemeinderaum nicht lange dauern. Nach etwa drei Jahren trat ein neues Problem für die Gemeinde auf. Die Tochter der Hotel- und Gaststättenbesitzerin wollte heiraten und bekam in dieser Nachkriegszeit keine Wohnung, und deshalb wollte sie den Gemeindesaal wieder zurückhaben, um ihn in eine Wohnung für ihre Tochter umbauen zu lassen. Alle Geschwister waren erschüttert, und die Gemeindeleitung bemühte sich in Gesprächen, dieses abzuwenden. Daraufhin bot uns die Besitzerin einen Tausch an, der so aussah: Ich sollte dem jungen Paar meine kleine Zweizimmerwohnung mit Küche im vierten Stock überlassen und dafür in eine Kellerwohnung unter dem Gemeinde-saal ziehen, dann würde sie uns den Versammlungsraum weiter überlassen. Das war für mich als junges Mitglied keine leichte Entscheidung, denn die Kellerräume waren dunkel und feucht, und ich dachte an meinen 13-jährigen Sohn, für den es auch nicht einfach wäre. Aber ich wußte, wie sehr die Gemeinde den Versammlungsraum brauchte, und so willigte ich in diesen Tausch ein. Alles war besprochen und eingeleitet, obwohl einige Mitglieder meinen Entschluß nicht verstehen konnten. Aber ich hatte zugesagt und war entschlossen, mein gegebenes Wort zu halten in dem festen Vertrauen darauf, daß der Vater im Himmel einmal auch für mich wieder eine andere Wohnung bereithalten würde.

Als dann unser damaliger Gemeindepräsident Hans Polzin diese Sache in einer Gemeindeversammlung bekanntgab, sagte er, daß der Vater im Himmel sicher dieses Opfer anerkennen würde und daß diese Handlungsweise in unsere Gemeindegeschichte eingehen würde. Ich selbst sah dies aber als kein Opfer an, sondern ich war in meinem Herzen glücklich, durch diese kleine Tat dem Herrn für seine Hilfe danken zu können

Der Vater im Himmel aber muß wohl meinen festen Entschluß zu diesem Tausch schon als genug angesehen haben, denn noch bevor der Umzug zustande kam, gingen die jungen Braut leute bei Nacht und Nebel über die Grenze nach Hamburg. Nun war mit einem Mal das Problem gelöst, und ich konnte in meiner Wohnung bleiben. Alle waren eigentlich froh, daß es so gekommen war und ich nicht in die Keller wohnung zu ziehen brauchte. Für mich war es wieder ein Beweis der Liebe, die der Herr mir zeigte.

Über Schwester Pawlowskis Anteil daran, daß wir seit über 15JahreninSchwerin ein eigenes Grundstück und Gemeindehaus haben,wird im nachfolgenden Kapitel noch ausführlich, auch von ihr selbst, zu schreiben sein.

An dieser Stelle soll noch berichtet werden, wie tief der Eindruck war, den der Tag auf sie machte, an dem sie ihren patriarchalischen Segen empfing. Folgendes hat sie 14 Jahre später unter der Überschrift "Erinnerungen an meinen patriarchalischen Segen (22. Juni 1373)" niedergeschrieben:

Erinnerungen an meinen patriarchalischen Segen (22. Juni 1973) Als unser Missionsratgeber Bruder Walter Krause von einer Reise zur Generalkonferenz in Salt Lake City zurückkehrte und bekannt wurde, daß er zu dem Zeitpunkt zum Patriarchen der Dresdner Mission berufen worden war, waren wir alle zutiefst gerührt und dankbar. Wir erfuhren es anläßlich unserer Frühjahrskonferenz 1973 in Neubrandenburg. Es ging von Mund zu Mund, noch ehe es offiziell bekanntgegeben worden war.

Sicher wußten die meisten von uns wenig über die Bedeutung eines patriarchalischen Segens, denn es hatten ihn bisher nur wenige von den besuchenden Patriarchen erhalten. Jetzt eben stand für jeden von uns diese Möglichkeit offen, und die Freude, die damit verbunden war, war groß. Die Mitglieder sprächen miteinander, und es war ihnen an heim gestellt worden, ihre Anträge auf einen patriarchalischen Segen über ihren Gemeindepräsidenten zu stellen. Mein Mann hatte seinen Segen bereits am 25. März 1973 in Dresden von Patriarch Fetzer erhalten, und da erzu der Zeit Gemeindepräsident in Schwerin war, hatte auch ich keinen größeren Wunsch, als ebenfalls meinen Segen zu erhalten.

Ich hatte, wie auch schon die Jahre vorher, ander jährlichen genealogischen Arbeitswoche in Dresden teilgenommen, zu der auch Patriarch Krause anwesend war, und er hatte vorgesehen, daß er im Anschluß an diese genealogische Arbeitswoche seine ersten Segnungen geben würde. Es lagen sicher eine Reihe von Anträgen dafür vor, und ich wünschte mir im stillen, in die Liste der Bewerber eingereiht zu sein.

Als dann Patriarch Walter Krause einen Tag vorher zu mir kam und mir sagte, daß ich die erste sein sollte, der er einen Segen erteilen wolle, da ich - wie er selbst aus Mecklenburg bin und er viele Jahre uns als Distriktspräsident dienen durfte, über kam mich ein unbeschreiblich dankbares Gefühl, und ich ahnte noch nicht, daß mir dieser Tag zu einem besonderen Zeugnis werden sollte.

In einem kurzen Gespräch wurde Sonnabend, der 22. Juni, 10.00 Uhr als Zeitpunkt dafür festgelegt.

Es ware in wunderschöner Sommermorgen, und ich wollte mich auf diesen Augenblick innerlich und im Einklang mit dem Geist des Herrn vorbereiten. Ich habe gefastet und gebetet und wollte an diesem Morgen gern allein sein. Da aber nach dieser Arbeitswoche im Gemeindeheim noch rege Geschäftigkeit war, ging ich in den Wald, der dem Gemeindeheim gegenüberliegt.

Ich dachte an den Propheten Joseph Smith, der auch wegen eines besonderen Anliegens in den Wald ging, um zu beten. Es war ganz still und menschenleer, und als ich einen Platz gefunden hatte, der geeignet war, mich im Gebet, niederzuknien, Schüttete ich dem Herrn mein Herz aus und bat ihn um Vergebung und um die Würdigkeit für den patriarchalischen Segen. Danach fühlte ich mich so froh, und Frieden zog in mein Herz ein. Ich saß dann noch eine Weile auf einer Bank und konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Ein Liedvers kam mir in den Sinn: "...Als du mich heut' geführt, entbrannt mein Herz mir in der Brust, hab' deine Handverspürt." Nie werde ich in meinem Leben diese seelige Stunde vergessen, in welcher ich den Frieden des Herrn in so reichem Maße spürte. Der Gesang der Vögel war der einzige Laut um mich. Es war noch so viel Zeit, und als ich im Weitergehen auf die Uhr schaute, überkam mich das Gefühl, daß ich den Wald verlassen und in das Gemeindeheim zurückkehren sollte. Ich kehrte um und wußte nicht warum.

Ich hatte den Wunsch, mit niemandem vorher sprechen zu müssen, und konnte deshalb nicht begreifen, warum ich dennoch zurückging. Aber das Gefühl, zurückkehren zu sollen, wurde immer stärker. Als ich dann im Gemeindeheim die Treppe emporstieg, kam mir Schwester Edith Krause, die Sekretärin des Patriarchen, mit eiligen Schritten entgegen und sagte:"Ich suche Sie schon. Kommen Sie, mein Mann möchte jetzt schon mit dem Segen beginnen." Ich war darüber sehr verwundert und dachte: 'War das der Grund, warum ich zeitiger aus dem Wald zurückkehren mußte?' Aber ich hatte gar keine Zeit, darüber nachzudenken, denn es stand mir Großes bevor, das jetzt alles andere nicht so wichtig machte. Als wir dann den Raum betraten, in dem Bruder Krause auf uns wartete, sagte er nur ganz schlicht: "Schwester, ich möchte schon jetzt beginnen." Es war noch vor 9.00 Uhr.

Dann kam für mich diese heilige Stunde, an die ich nur mit Ehrfurcht und Dankbarkeit zurückdenke. Ich fühlte, daß hier ein Mann Gottes spricht, der mir Dinge sagt, die nur durch den Geist des Herrn gesagt werden können. Jedes dieser Worte ist in mein Herz geschrieben.

Ich dachte aber später auch oft über das Gefühl nach, welches mich dazu getrieben hatte, viel früher als ich wollte zum Gemeindeheim zurückzukehren, und ob es wohl je darauf eine Antwort geben mag.

Eine Reihe von Jahren später erfuhr ich dann in einer Ansprache von Bruder Krause anläßlich einer der letzten Konferenzen, die in Dresden abgehalten wurden, die Gründe dafür, warum er den Zeitpunkt seiner ersten Segensausteilung vorverlegt hatte und warum ich damals im Wald das Gefühl bekam zurückzukehren. Weder Bruder Krause noch ich wußten von den Erlebnissen, die jeder für sich hatte, aber durch diese Ansprache erkannte ich, daß der Geist des Herrn zwischen uns gewirkt hätte.

Bruder Krause sprach davon, wie er an diesem Morgen gerungen hat, fähig zu sein, dieses verantwortungsvolle Amt auszuführen. Ich erfuhr, wie auch er seine Unzulänglichkeit gefühlt habe und den Herrn viele Male im Gebet um Hilfe angerufen hat. Heute weiß ich, daß Bruder Krause zur gleichen Zeit, in der ich im Wald zum Herrn betete, auch gebetet hat, daß der Herr ihn kraft für die Segnungen geben möge, weil er nicht wisse, was er sagen soll, und daß dann die Antwort des Herrn kam, die ihm sagte: "Fang doch erst einmal an." Nach dieser Antwort des Herrn schickte er seine Gattin los, mich zu holen, und wir trafen uns an der Treppe des Gemeindeheimes, und sie sagte zu mir: "Mein Mann möchte jetzt schon anfangen."

Als Bruder Krause diese Ansprache hielt, lauschte ich wie gebannt seinen Worten und erkannte darin die Antwort auf meine Frage. Auch war ich so dankbar dafür, daß ich zur Konferenz gefahren bin, denn ich hatte mir vier Wochen vorher den Fuß gebrochen und war gerade meinen Gipsverband losgeworden und hatte noch erhebliche Schmerzen. Wenn ich, wie ich zuerst vorhatte, nicht gefahren wäre, dann hätte ich wohl nie eine Antwort auf diese Frage erhalten. So aber war dies für mich eine neue Bestätigung dafür, daß der Herr bei beiden Gelegenheiten mit seinem Geist und Segen bei war und mir gezeigt hat, wie wunderbar er mit seinen Kindern verfährt, wenn sie auf seine Stimme hören.

Muß noch erwähnt werden, daß Schwester Pawlowski, jetzt 64-jährig, auch heute ganz aktiv ist?

Inzwischen hat sie mit ihrer leiblichen Schwester eine Pfahl-mission erfüllt. Momentan ist sie u.a. Lehrerin der Evangeliumslehre-Klasse. Einmal im Monat reiste sie mit ihrem Mann für eine Woche zum Freiberg-Tempel, um dort für Verstorbene Missionarsdienst zu tun, bis er vor wenigen Wochen verstarb. Und ganz besonders erfüllt sie, was einst Paulus den Römern schrieb, "Nehmet euch der Nöte der Heiligen an. Herberget gerne." (Römer 12:13)