Title

"Ich hatte die Gelegenheit,
für den Herrn arbeiten zu dürfen"

Schwester Käthe Würscher

(aus der Zusammenstellung von Manfred Schütze, "Was Du ererbt von Deinen Vätern. . .")

"Schwester Würscher hat gesprochen. Das war einer der Höhepunkte unseres Treffens." - So und ähnlich lauteten Kommentare von Teilnehmern des letzten AE-Treffens in Neubrandenburg.

Hierzulande muß man nur jungen oder neubekehrten Mitgliedern erklären, wer Schwester Käthe Würscher aus Berlin ist, denn sie steht seit einigen Jahren nicht mehr so sehr im mittelpunkt - oder doch? - Siehe oben!

Ein Grund dafür ist sicher ihr stolzes Alter von 92 Jahren. Ich erlebe bei meinen Besuchen eine geistig und körperlich frische Frau mit erstaunlichem Gedächtnis und einem starken Zeugnis.

Daß sie 21 Jahre, von 1953-1974, im Missionsausschuß der FHV gearbeitet hat, betrachtet sie als ein Vorrecht. Sie habe mit Männern und Frauen zusammengearbeitet, "zu denen man aufblicken konnte und die eine geistige Hilfe für meine persönlichen Sorgen und die um meine Kinder gewesen sind" Sie denkt dabei an die Missionspräsidenten Clauß, Gregory, Robbins, Fetzer, Tate und Burkhardt, unter deren Priestertumsführung sie gearbeitet hat, um Konferenzen und Kranke zu besuchen und die FHV-Arbeit der Mission zu fördern.

"Die Konferenzen dauerten für mich immer drei Tage. Am Samstag besuchte ich Kranke in der Umgebung des Konferenzortes, die nicht anwesend sein würden. Am Sonntag fand die Konferenz statt, Und am Montag besuchte ich wieder bettlägerige Kränke."

Alle Fahrten mußte sie mit dem Zug unternehmen, was oft sehr beschwerlich und anstrengend war. Aber sie betonte: "Mein eigenes Zeugnis wurde stets aufgebaut am Bett der Kranken oder in der Wohnung der Bedürftigen. Viele von ihnen hatten trotz bedrückender Situation ein so starkes Gottvertrauen.

Immer dachte ich: 'Du mußt helfen, so gut es geht, du hast keine Mittel, aber du hast einen Mund.' Und so konnte ich die Brüder um materielle Hilfe, Medikamente u.a. bitten. Und sie halfen. Wenn ich die Schwestern belehren sollte, war ich sehr ängstlich und glaubte, es nicht schaffen zu können, denn ich war eigentlich sehr schüchtern. Aber oftmals ermutigten mich die Schwestern und das Priestertum war immer eine Hilfe. Auch habe ich gefastet und geistige Kraft gefunden."

Wie nötig sie diese hatte, wird deutlich, wenn man ihren familiären Hintergrund kennt, an dem sich erneut bestätigt, daß der Herr uns oft Probleme schickt, wenn er uns auf besondere Aufgaben vorbereiten will.

Schwester Würscher ist 1924 getauft worden. Im April d.J. war sie 65 Jahre Mitglied der Kirche in der Gemeinde Berlin-Friedrichshain. Von ihren neun Kindern leben heute noch zwei Söhne und zwei Töchter. Das wohl schwerste Jahr war 1944/45.

Im letzten Kriegsjahr verlor sie innerhalb von sechs Monaten drei Söhne, zwei als Soldaten und ein 2 1/2-jähriges Kind als Folge einer Krankheit.

Eines ihrer Talente ist es, Gedichte zu schreiben. über den Verlust der erwachsenen Söhne von 20 und 24 Jahren schrieb sie das Gedicht "Die Brüder", das sie ohne Vorbereitung auswendig vortragen kann:

Die Brüder
(Dem Gedächtnis meiner lieben, gefallenen Söhne gewidmet)

Sie waren beide einem Schoß entstammt.
Sie wuchsen unter einem Herzen.
Es einte sie der Bruderliebe Band
im Leben wie in Todesschmerzen.

Sie waren blond, von schönem Angesicht,
Gesundheit atmend - Wuchs und Glieder.
In ihren Augen strahlte hell und licht
die Lebensfreude ihrer Jugend wieder.

Sie hatten einen Glauben, einen Gott
und Herrn, ein festes Zeugnis von der ew'gen Wahrheit.
Sie hielten sich von Trug und Sünde fern,
ihr Leben war nur Licht und Klarheit.

Ein Unrecht nur begingen sie im Leben.
Sie schieden ach so früh aus unserm Kreis.
Und tiefes Weh erfüllt die Brust mit Beben.
Und aus den Augen rinnt die Träne heiß.

Doch ist es weise, sich dem Ratschluß fügen.
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Wer überwunden hat, nur der wird siegen,
durch Leid gekrönt auf dieser Erdenbahn.

Gott hat die Söhne uns dereinst gegeben.
Rein er nahm, was sein war, wieder zurück.
War auch nur kurz ihr junges Erdenleben,
sie war'n der Eltern Stolz und höchstes Glück.

Was irdisch ist, das muß vergehen,
Wenn drüber uns das Herz auch bricht.
Einst werden wir uns wiedersehen
vor Gottes heil'gem Angesicht.

"Mein ganzes Leben gehörte immer der Kirche. Ohne das starke Zeugnis hätte ich es nicht schaffen können - den Verlust der Söhne - die drei Jähre Pflege der Mutter - die Sorge um den kranken Mann - sein schließlicher Tod 1953, mich mit zwei unmündigen Kindern zurücklassend."

Unmittelbar vor dem Verlust ihres Mannes war sie als FHV-Leiterin der Mission berufen worden. Nach der Beerdigung begann sie ihre Tätigkeit - und wurde zum Segen für viele Frauen.

"Ich wurde Verkäuferin in einem Schuhgeschäft - bis 1970. Den Samstag hielt ich mir frei, um zu den Konferenzen zu fahren." Gefragt, wie sie es geschafft habe, auch ihre Kinder zu wertvollen Menschen zu erziehen, antwortete sie:

"Ich konnte mich auf meine Kinder verlassen. Sie waren aber immer meine größte Sorge. Ich habe mich nicht so sehr vor Krankheit oder körperlichen Gefahren gefürchtet. Ich war so von der Lehre der Kirche eingenommen, daß mir nichts widerlicher war, als wären die Kinder in Kreise gekommen, wo Unreinheit herrscht oder so etwas. Davor hatte ich die meiste Angst, Da hat mir der Vater im Himmel geholfen, daß ich alle vier habe gut durchbringen können, und er hat mich gesegnet mit innerem Frieden."

Ich würdige im Gespräch, was sie in den Jahrzehnten in der Kirche geleistet habe und wie sie dazu beigetragen hat, Schwestern stark zu machen. Doch sie winkt ab:

"Geleistet habe ich gar nichts. Ich hatte die Gelegenheit, für den Herrn arbeiten zu dürfen. Ich kann nicht stolz sein auf meine Leistung. Ich bin nur stolz, daß der Vater im Himmel mir Gelegenheit gegeben hat zu dienen"

Und abschließend: "Nein Leben ist in Gottes Hand. Es ist gleich, wo ich sterbe." - Wie stark ist doch dieses Gottvertrauen. Sie hat es selbst formuliert im gleichnamigen Gedicht, das für ihr Leben und das der anderen erwähnten Geschwister abschließend charakterisierend stehen soll:

Gottvertrauen

Wer auf Gott, den Herrn, Vertraut
und ihm weiht sein ganzes Leben,
hat auf festem Grund gebaut,
ihm wird reicher Himmelssegen.

Du sollst lieben Gott den Herrn
innig und von ganzer Seele
und dem Nächsten dienen gern,
ob er gleich gegen dich fehle.

Sieben mal, nein siebzig mal
sollst du ihm die Schuld vergeben,
so wie du tust allzumal
wird Vergebung dir im Leben.

Gott ist unsre Zuversicht,
er wird alles recht gestalten,
führt durch Trübsal uns zum Licht,
nie wird seine Lieb erkalten.

Gott ist unser Schirm und Hort,
unser Wehr und unser Waffen,
unvergänglich ist sein Wort,
heilig seiner Allmacht schaffen.

Er läßt unterm Sternenzelt
Lilien wachsen auf dem Felde,
seine Gnade sie erhält,
Segen atmend in der Erde.

Darum wirf auch du auf ihn
deine Not und deine Sorgen,
gleachwie jene Lilien blühn
wird er segnen dich am Morgen.

Sollt ich darum meinen Herrn
nicht aus ganzer Seele preisen,
meine Dankbarkeit ihm gern
gläubig durch die Tat beweisen.

Immer will ich und mein Heim
unserm Gott allein nur dienen,
woll'n beim Vater glücklich sein,
atmen ew'gen Himmelsfrieden.